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    25.8.06

    Freiheit und Gerechtigkeit

    Worte des großen Vorsitzenden (3)

    Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität fordert auf einem Parteikongreß die deutsche Bundeskanzlerin als Grundwerte 1) ihrer Partei. Für diese Grundwerte gebe es keine Hierarchie.
    Aber eine Reihenfolge gibt sie ihnen schon. Was ist eigentlich die «Freiheit», die an erster Stelle steht?
    Am meisten Freiheit ist in einer Diktatur verwirklicht, wo der Diktator fast vollkommene Freiheit genießt. Aber solche Freiheit wäre als politische Forderung schwerlich denkbar. Es kann sich hier nur um Freiheit für alle handeln. Da aber vollkommene Freiheit des einen die Freiheit des anderen einschränkt, kann es bei einem politischen Ideal nur um Freiheit gehen, die so begrenzt ist, daß die Freiheit des einen den anderen nicht beeinträchtigt.
    Das aber bedeutet Gerechtigkeit in der Zumessung von Freiheit. Also ist Gerechtigkeit notwendigerweise das vorrangige Ideal.
    Was heißt Freiheit nun konkret? – Unter anderem, daß ungeachtet ihres wirtschaftlichen Erfolges allen Menschen ihre Freiheitsrechte zugebilligt werden, etwa das Recht auf freie Wahl des Berufs und des Wohnorts, darüber hinaus das Recht auf ein Einkommen, das zur freien Gestaltung des Lebens ausreicht (soweit diese jedermann ermöglicht werden kann – im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit) – also all das, was durch die «Agenda 2010» des vergangenen Kanzlers empfindlich eingeschränkt worden ist. Daß die Kanzlerin auf demselben Parteikongreß ihren Vorgänger für ebendiese «Agenda 2010» lobt und so klar allen Versuchen in ihrer Partei widerspricht, vom marktradikalen Kurs wegzusteuern, nimmt ihrem Bekenntnis zu Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität die Glaubwürdigkeit.

    Letztlich leben wir dank dem Wirtschaftsliberalismus in einer Zeit ganz reduzierter wirtschaftlicher Freiheit: die wirtschaftlichen Großmächte beschränken die Freiheit des Privatmanns, der als Arbeitnehmer ihrem Einsparungsdruck unterworfen ist, die des Kleingewerbetreibenden, der ihrer Konkurrenz ausgesetzt ist, und ebenso die der Politiker, die sich dem freien Markt ausgeliefert haben. Aber auch mächtige Besitzer gibt es in der Zeit der Kapitalgesellschaften immer weniger; und die Angestellten, die diese Kapitalgesellschaften leiten, sind abhängig davon, daß sie schnellen Erfolg vorzuweisen haben, Erfolg, der meßbar sein muß in der Höhe des Gewinns oder des Aktienkurses. Über sie urteilen wiederum immer seltener die Besitzer, sondern leitende Angestellte anderer Unternehmen (von Banken, Fonds etc.), die der gleichen Abhängigkeit unterworfen sind.

    W.H.W.

    1) Eigentlich sind Gerechtigkeit und Solidarität nur ein Wert, denn der zwischenmenschlichen Solidarität entspricht staatlicherseits die «allgemeine Gerechtigkeit» oder die Verteilungsgerechtigkeit («Justitia distributiva»).
    Die ganze Argumentation: www.occidens/e_ewald/gerecht.pdf

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