Von dem einen und dem anderen Thomas
Eine erzählende Rezension zu:
Thomas Frings: »Aus, Amen, Ende? – So kann ich nicht mehr
Pfarrer sein«
176 Seiten, gebunden, 16,99 €
Verlag Herder, ISBN 978-3-451-37797-6
176 Seiten, gebunden, 16,99 €
Verlag Herder, ISBN 978-3-451-37797-6
Prolog
Anfang der 90er lernten wir uns kennen: Er Thomas, ich
Thomas. Er kam vom Niederrhein, ich kam vom Niederrhein. Beide lebten wir im
Exil im Münsterland. Er wurde 1987 zum Priester geweiht und amtete jetzt in
seiner ersten Pfarr(verwalter)stelle; ich hatte im Jahre ´89 geheiratet und die
Tochter war da. Ab 1993 führten dann unsere Wege auseinander.
Beide haben wir uns an der realexistierenden Kirche im
deutschen Sprachraum abgearbeitet, er u.a. als Pfarrer und im Priesterrat, ich
u.a. als Pastoralreferent und Pfarrgemeinderatsvorsitzender. Und irgendwann war
für uns Schluß in dieser Kirche, wie wir sie in Deutschland vorfinden, auf den alten Feldern weiter zu
arbeiten. Das ganze übrigens (Und ich hoffe ich tue dem anderen Thomas nicht
unrecht) ohne eigentliche Glaubenskrise. Ach ja, eines noch, was uns verbindet:
Die Kunst. Thomas Frings hat vor seiner Weihe Kunstgeschichte studiert und war
Leiter einer bischöflichen Kunstkommission; ich bin seit 1995 Berufsmusiker und
auch im Performancekunstbereich tätig.
1. Akt: Von Facebook
zum Buch
Am 14. 2. 2016 veröffentlichte Pfarrer Frings auf der
Facebook-Seite seiner Pfarrei ein Manifest mit dem Namen „Kurskorrektur“. Hier
beschreibt er, daß er so letztendlich nicht mehr Pfarrer sein kann. Das „Kann“
ist wichtig, weil die Sakramentenpraxis so nicht funktioniert - bei aller
Wichtigkeit der kirchlichen Sakramente und Zeichen, weil die Glaubenspraxis und
-weitergabe in den Gemeinden nicht funktioniert - bei aller Notwendigkeit des
Glaubens, kann er - obwohl er gerne Priester ist - so nicht mehr Pfarrer sein.
Am Ostermontag lasse er sich darum vom Bischof von seinem Amt als Pfarrer
entpflichten.
Dieser Text liegt seinem Buch zugrunde….
Interludium: Lektorat
….Und da beginnen einige Schwierigkeit: Die „Kurskorrektur“ wird im Buch ausgeführt und variiert, aber!! Oft
beginnen die Kapitel des Buches mit Passagen der „Kurskorrektur“, die dann
ausgeführt werden. Manchmal erscheinen Passagen derselben inmitten von
Erklärung. Und oft weiß man nicht, was liegt hier gerade vor. Die optische
Absetzung durch unterschiedliche Schrifttypen trägt nur begrenzt zur
Orientierung bei und wird auch nicht konsequent beibehalten. Ja, manchmal
taucht exakt derselbe Text im Buch an mehreren Stellen auf (z.B. S.19 und S.29)
Sagen wir es mal so: Der Versuch einer
zeitnahen Veröffentlichung siegt gelegentlich über das Lektorat. Dabei entstehen
öfters auch sinnlose Sätze: „und dann
habe auch mir gedacht“ (S.76). Schade: Der pointierte aber auch assoziative
Stil des Autors wird dadurch zumindest nicht unterstützt. Ich habe mir darum
bei der Lektüre sicherheitshalber die „Kurskorrektur“ aus dem Netz zusätzlich
ausgedruckt.
2. Akt Beschreibungen
Viele gute Rezensionen sind im Netz erschienen - ich darf
als partes pro toto auf die von Josef Bordat und Peter Winnemöller verweisen,
die wirklich alles Entscheidende sagen. Jetzt könnte ich noch meine Wertung abdrucken und fertig,
also denn:
Ein mutmachendes Buch eben weil es Negatives so deutlich
beschreibt!
Ich möchte aber im Folgenden einige (!) wichtige Gedanken und Erfahrungen
des Autors darstellen und durch eigenes erlebte flankieren. Da das Buch
einzelne Baustellen je einzeln beschreibt, scheint mir dies auch angemessen.
Heilige Zeichen
Wenn ich an die
Stärken unserer Kirche denke, dann fallen mir … unsere Zeichen und Rituale ein, schreibt Frings (S.63). Und recht hat er. Aber Zeichen müssen ehrlich sein und sie
müssen verstanden werden. Ich ergänze: verstanden werden können. Oft wird ein
Außenstehender, ja selbst ein „Insider“ nicht alle Aspekte einer
Sakramentenspendung begreifen. Dennoch nur ehrliche Zeichen sind begreifbar.
Der Autor erwähnt echte Kerzen gegenüber Teelichtern (S.68) und wie er nach und
nach die Zeichen bei der Taufe (Salbung und Salzgabe) entdeckt. Ich möchte ergänzen, wie ergreifend ich es fand unserem
Kind das Taufkleid anzuziehen - ich sage bewußt nicht anlegen, weil anlegen
schnell zu auflegen wird!
Sakramentenpastoral
Unter der Überschrift „Grandhotel Erstkommunion“ beschreibt
Frings die Situation der Erstkommunionskatechese und zitiert die „Kurskorrektur“:
Mangels Alternativen einigen sich
aber Fernstehende und Hauptamtliche darauf, einen Jahrgang lang - wenn die
Kinder im dritten Schuljahr sind - so zu tun, als würde man sich wechselseitig
glauben, was man sagt.
Dem ist nichts hinzuzufügen - vielleicht doch: Das
befriedigende Gefühl. daß unsere Tochter uns mit 7 Jahren mitteilte, daß sie
mit einem befreundeten Priester vereinbart hatte, jetzt schon zu kommunizieren.
Den Eltern gab dies die Ruhe manch spätere Bastelkatechese zu ertragen!
Glaubenswissen und -praxis
Ein guter Mensch sein,
kann man auch ohne Kreuzzeichen und Gebet. Christ dagegen ist man nur mit.
(S.72). An vielen Beispielen - so über das Betreten von Kirchen in
Hundebegleitung - führt der Autor aus, welche Begriffsverwirrung es um das Wortfeld
Glaube. Moral und Gutsein gibt.
Alles in allem stellt der Autor - durchaus unterhaltsam zu
lesende - Fragen an den Glauben der Kirche und seine praktische Umsetzung.
Interludium 2: Die
Gegenperspektive
Jetzt möchte ich hier
aber einmal den anderen Thomas zu Wort kommen lassen - mich und das als
Beispiel für viele Leute, mit denen ich rede. Für Menschen die einfach - um
einen eher diskreditierten Begriff zu benutzen - fromm sein wollen. Die in der
Liturgie nicht bespaßt werden wollen, die keinen Erklärbär alla „Jetzt machen
wir das, weil…“ brauchen. Die einfach mal Ihre Ruhe haben wollen, die - ich
sage es noch einmal - einfach mal Ihre
Ruhe vor Gott haben wollen. Da ist die stoische Norddeutsche, da ist der
volksfromme Bayer und da bin ich, der ironische und polternde Rheinländer. Wir
alle wollen vor Gott stehen, einfach so.
Und dann lieber Thomas kehrt sich Dein Buch vielleicht um.
Ich bin 52 Jahre alt, aber ich habe wenige Pfarrer erlebt, die mich nicht
belehren oder gar unterhalten wollten. Doch ich bin Musiker. Ich weiß, wo ich Unterhaltung finden kann,
wenn ich sie suche. In der Messe will ich sie nicht. Und jetzt liegt die Frage
auf der Hand: Haben nicht (mittlerweile) Generationen von Pfarrern,
Katechetinnen und Bischöfen diese Besucher?/Gläubigen?/Sakramentempfänger?
herangezogen, die das Event suchen und die einfach nicht mehr wollen und wissen,
weil sie es eben nicht erlebt haben, daß die Messe, die Liturgie und das Gebet
aus dem regelmäßigen Vollzug leben. Wenn diese letzteren dann aber erleben, daß
mit pathetischen Worten, Zusammenlegungen und Pastoralplänen alle zwei Jahre
das Heil neu in die Welt, oder zumindest in die Stadt kommt, aber das Heil ein
sehr Lautes ist und ihnen dann auch wieder neu und laut erklärt wird, dann gibt
es für viele - gerade um den Glauben zu bewahren - nur noch die Emigration; die
äußere - und da gibt es zwischen neuen geistigen Gemeinschaften und
Piusbruderschaft, ja einige Möglichkeiten - oder die innere Emigration. Das
heißt dann: ich gehe vielleicht noch zur Anbetung, oder zur Vesper und meide im
Gegenzug „Familienmessen“ und die Erklärbären im Weiheamt!
3. Die Lösung:
Nach diesen kritischen Worten kommt das Überraschende: Die
Lösung die Thomas Frings vorschwebt ist auch ungefähr das, was ich mir denke. Frings
schreibt (S.79): Und was wäre, wenn es
mehr Optionen gäbe als nur „ganz oder gar nicht“? Wir brauchen eine gestufte Nähe (S.73), oder
volkstümlicher ausgedrückt: Die Situation in unseren Gemeinde könnte so
angelegt sein, wie die Kleidung in der Übergangszeit: zwiebelförmig. Im
innersten Kreis könnte da so etwas wie die altkirchliche Arkandiziplin stehen.
Müssen wir das innerste unseres Feierns, müssen wir die Eucharistie vor aller
Augen abhalten? Brauchen wir etwas wie eine Ikonostase? Aber es gibt eben auch
den zweiten Kreis (und das sehe ich vielleicht ein wenig anders als Frings?)
Ich will auch einmal aus relativer Ferne einer liturgischen Handlung beiwohnen.
Ich will manchmal einfach nicht „nach vorne kommen“. Ich will eigentlich nie in
einen Werktagskirchenraum zusammengepfercht werden. Und selbst ich als
begeisterter Sänger, möchte manchmal nur zuhören.
Es schließen sich dann verschiedene Ringe, oder besser
Segmente, der Nähe und Ferne an. Ganz außen steht dann etwas, daß man praeliturgische
Feiern genannt hat. Da gilt es dann mit Frings ehrliche Zeichen zu setzen. Dies
kann geschehen, wenn ich in der underground- Kunstszene mit Heiligenbildchen
arbeite, oder wenn man in Kirchen um den Raum auszuloten bewußt modale
Jazzimprovisationen einsetzt, die sich übrigens gut mit Gregorianik und einer
Komplet, weniger gut mit z.B. Bach und einer Messe vertragen.
Lieber Leser, laß uns hier weiterdenken, weiterarbeiten und
je nach dem weiterbeten. Das Buch von Thomas Frings kann manche Richtung
weisen.
Epilog:
Thomas Frings trat 3. Oktober 2016 als Postulant in eine
Benediktinerabtei in den Niederlanden ein. Ich bin seit dem 8. Oktober 2016 Oblate einer (anderen) Benediktinerabtei in
den Niederlanden.
Thomas
Baumann
Labels: ein ungenanntes Bistum, Hehre Litteratur
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