Les Temps des Cerises
Thomas Baumann
Les Temps des Cerises
Eine rein absurde
Einstiegsszene, ohne weiteren Nutzen,
aber mit einer 20%igen
Surrealismusbeimischung
„Es sang in mir“
(Gryphius)
Es war im Garten der Frankfurter Äpfelweinschenke
„Roth-Schelder“. Gerade hielt ich ein neues Glas Getränkes in der Hand, da
setzte sich das Mammut neben mich. – Das Mammut? – Das Mammut!
Man muß hier einfügen, daß Äpfelwein auf die Wahrnehmung des
Zechers gelegentlich unschöne Einflüsse nimmt. – Aber was war das jetzt?
„Ruhig und sachlich“ sagte ich mir. Nun: es war zwar erst
die neunte Stunde, und: es war auch erst das fünfte Glas – aber andererseits
war es doch für den Monat sehr warm und dann ohne Kopfbedeckung in der prallen
Sonne, und außerdem sind Mammuts bekanntlich ausgestorben. Also: na ja,
„Kellner, bringen Sie …!“
Moment – okay, es gibt keine Mammuts mehr, aber wieso
kreischen dann alle im Garten so panisch? Und wo ist der verfluchte Kellner?
Und? Aber! Andererseits!! ? !
Also gehen wir das Ganze mal logisch an (bitte „loggisch“,
nicht „lohgisch“)! “Der Widerspruchsbeweis ist der König aller Beweise!“ hörte
ich die Stimme meines alten Mathematiklehrers sagen – trotz dieser Metapher übrigens
ausgewiesener Demokrat. - und beschloß diesem Worte errötend zu folgen.
Nehmen wir an das da neben mir (ddnm) ist kein Mammut (sei ddnm
≠ Mammut).
Frage: kann ich mir ddnm = M dann nur vorgestellt haben?
Argumentation (für den Leser entformalisiert):
(1) Zweifelsohne ist es möglich, sich Mammuts vorzustellen,
aber undenkbar ist es, daß das von mir (und zwar mir) vorgestellte Mammut andere
erschreckt. Darüber hinaus wissen wir,
(2.) daß phantastische Tiere in Städten Angst und Schrecken
verbreiten, nicht jedoch in Gartenschänken Platz nehmen.
Ergo: ergibt sich (3.) ein Widerspruch zur Ausgangsannahme,
d. h., das Vieh neben mir existiert real, nicht nur in meiner Vorstellung! –
Hm, real, nicht nur in meiner Vorstellung?
„Darf ich mich vorstellen?“, bemerkte das Mammut
„Seidenweber, Dr. Seidenweber, und mit Verlaub, so etwas passiert mir
andauernd!“ Dann zog Dr. Seidenweber ein Futteral aus seiner Weste, entnahm
diesem eine Zigarre – Format Demi Corona, entfernte sorgfältig die Spitze und
steckte die Zigarre quer in den Mund. Mir erschien dieses Verfahren ein wenig
unpassend; andererseits konnte ich mir auch nicht vorstellen, wie ich vor
20.000 Jahren in den Tundren Alaskas an Streichhölzer gekommen wäre. Wohlig
grunzend entließ der Doktor einige zarte Rauchwölkchen aus seinen Ohren. (Wieso
eigentlich Rauch, wieso Ohren?)
„Das Dumme ist nur, daß der Kellner halt auch weg ist!“
Dieser Beobachtung war nun nicht zu widersprechen.
Ich muß zugeben, daß unser weiteres Gespräch oft stockte, ja
eigentlich gar nicht so richtig in Fahrt kam. Eine Eigenschaft, die manche
Akademiker mit beinahe allen Fußballfans teilen ist ja bekanntlich, daß sie die
Themen der anderen nicht zur Kenntnis nehmen und andererseits wiederum nicht
verstehen, wie sich jemand nicht für Abseitsfallen oder Wurmfarngenetik
interessieren kann.
Irgendwann tauchte dann schließlich ein Kellner auf und brachte – Dr. Seidenweber
schien hier dann doch bekannt zu sein – ein großes Glas Pfefferminzliqueur, auf
Eis, mit eingelegten Kirschen. Dieses neonbuntschillernde Getränk in dem
rustikalen Ambiente empörte mich gleichsam. Ich verabschiedete mich also
unauffällig und höflich, aber schnell.
Als ich ein paar Schritte gegangen war, zuckte ich zusammen;
ich hörte ihn singen: „La dam-me vor-tüh-ne.“ Ich ging weiter, denn wer liebt
schon Kirschen?
Dr. Stefan Lücking zum Fünfzigsten
Er wird wissen wieso!
Labels: Blogoezese, Hehre Litteratur, RomantischesFrankfurtAbenteuerRheinMain, Völlerei und verwandte Tugenden
2 Comments:
Um Fortsetzung wird höflich gebeten.
Pff. Kann ich auch:
http://adtiliam.blogspot.de/2014/03/von-fleisch-und-geist.html
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