Gott braucht dich nicht!
Jetzt ist ja die Zeit, daß man Geschenke zum Christfest erwirbt - oder für die Tradis natürlich zu Nikolaus - und dann kann ich nur sagen. Dieses Buch ist die Lösung all Eurer Probleme:
Eine Bekehrung
(Rowohlt)
Es geht um Tod und Theodizee, um Ostwestfalen und Schweine, aber es gibt eben auch die herrlichen Schilderungen des real existierenden Katholizismus (nicht nur) der 80er:
Ähnlich war es mit der Beichte. Ich hatte eigentlich
schon Lust, mal in so einem Beichtstuhl zu sitzen,
aber dann mussten die Kommunionkinder ein Beichtgespräch
führen, weil man den Beichtstuhl zu unpersönlich
fand. Vielleicht. (...) Man hatte
mir über die Beichte Ähnliches gesagt wie über das
Messdienen, nämlich dass man seine Sünden nicht dem
Pfarrer beichtet, sondern Gott, und das fühlte sich nun
aber, durch dieses persönliche Beichtgespräch von Angesicht
zu Angesicht mit dem Pfarrer, ganz und gar
nicht so an.
Am Abend vor meiner Erstkommunion lag
ich im Bett, und als ich betete, hoffte ich, dass ich Gott
am anderen Morgen treffen würde in der Kirche. Wir
Kommunionkinder mussten dann im Halbkreis um den
Altar stehen, mit den Gesichtern zur Gemeinde. Alle sahen
uns an. Jedes Kind bekam eine Hostie auf die Hand,
und bei «drei» (als der Pfarrer wieder an seinem Platz
stand) mussten wir sie greifen und in den Mund stecken.
Irgendwas daran verletzte meine Scham. Ich sah
kauend auf meine Füße.
......Überhaupt entstand bei mir der Eindruck, dass
eigentlich die meisten Leute die Kirche noch nicht so
perfekt fanden, wie sie sein sollte. Es lag damals in
meiner Kindheit in den Achtzigern etwas in der Luft,
das sich schwer beschreiben lässt: etwas Unvollendetes,
könnte man sagen. Irgendein Ziel war noch nicht
erreicht.
Es wurde zu wenig für die Jugend getan. Das hörte
ich. Manchmal spielte eine Band bei uns in der Messe
fetzige Lieder wie «Laudato si» und irgendein Lied, das
von einem verlangte, einen Baum zu pflanzen, der
Schatten wirft, und ein Haus zu bauen, das uns beschützt
oder so. Ich verstand es nicht, aber ich schmetterte
mit, und mein Bein wippte im Takt, wenn das
Schlagzeug mit der Querflöte durch die Strophen stolperte. (...)
Die größte Revolution in unserem Haus gab es, als
meine Eltern es wagten, uns Kinder zum zweiten Mal
in einen ökumenischen Gottesdienst mitnehmen zu
wollen. Meine Schwester schrie sofort laut auf, als sie
das Wort hörte, ich sagte leise «Scheiß Ökumene», und
meine Mutter wurde sauer.
«Dein Vater und ich leben in einer ökumenischen
Ehe. Es gibt Länder, da ist Krieg zwischen Protestanten
und Katholiken. Ich will so was nicht hören.»
«Scheiß Ökumene», sagte ich noch mal. Noch leiser.
«Ihr seid gemein zu uns!», brüllte Steffi. «Ökumene
dauert zehn Stunden. Bitte nicht, können wir bitte zu
Hause bleiben? Das ist so schrecklich.» Meine Eltern
hatten irgendwann Mitleid und ließen uns daheim. Der
ökumenische Gottesdienst, den wir mitgemacht hatten,
hatte zwei Stunden gedauert. Zuerst laberte der evangelische
Pfarrer darüber, wie toll Ökumene sei, und dann,
als man gerade dankbar seufzend beobachtet hatte, wie
er die Kanzel verließ, kam ein katholischer Pfarrer und
sagte noch mal das Gleiche: «Es ist gut, dass wir hier
sind», und so Zeug. Alle fanden es gut, dass man da
war. Nur wir Kinder nicht. Man stand nicht auf, nur
zum Vaterunser, das schleppend im Chor gesprochen
wurde und nur an einer Stelle holperte, wenn manche
Katholiken, einschließlich wir drei Kinder, nach alter
Gewohnheit sagten: «Ich glaube an die heilige katholische
Kirche» anstatt «heilige christliche Kirche». Man
kniete sich nicht hin, man tat eigentlich überhaupt gar
nichts und war an die Bank gefesselt. Stundenlang. Ich
habe es als körperliche Qual in Erinnerung.
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Labels: Liturgie, politicalische uncorrectness
1 Comments:
"Man stand nicht auf, nur zum Vaterunser, das schleppend im Chor gesprochen wurde und nur an einer Stelle holperte, wenn manche
Katholiken, einschließlich wir drei Kinder, nach alter Gewohnheit sagten: «Ich glaube an die heilige katholische Kirche» anstatt «heilige christliche Kirche»."
Komisches Vaterunser. Liegt das an der Ökumene?
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