Von Haute cuisine und Liturgie
Und immer reden sie
Von Haute cuisine und
Liturgie
(Eine Polemik die ich besser nicht am Beispiel geschlechtlicher Vollzüge geschrieben habe)
Kann man die gepflegte Küche und ein gutes
Restauranterlebnis mit Liturgie vergleichen? Lassen Sie uns das einmal
versuchen, denn es handelt sich ja immerhin um zwei wichtige abendländische
Kulturvollzüge.
Eigentlich kam ich darauf durch unser aller Vater
Walterspiel, den angesagten Koch Deutschlands zwischen 1910 und 1960. Er
schreibt:
„Der wirklich gebildete Gast will nie auffallen. Kommt er
allein, so beabsichtigt er nichts anderes als gut zu essen und dabei ungestört
zu sein“[1]
Und das brachte mich zum Nachdenken.
Im Folgenden liste ich einfach mal ein paar diese Gedanken auf.
Ich erhebe dabei zunächst keinen Anspruch auf Vollständigkeit und
Argumentationsstruktur und wenn die „Schwarmintelligenz“ mir in Kommentaren und
Ergänzungen helfen will, ist sie herzlich willkommen.
Das Personal
Walterspiel beschreibt bis in äußerste das Personal einer
Kochbrigade bis hin zum Topfputzer. Jeder tut das, was genau und gerade er tun
muß und im Ablauf auch nur er tun kann. Denken wir doch einmal, welches
Personal zu einer würdigen Liturgie benötigt wird (und ja ich weiß, daß es im
Notfall auch ein Priester mit Ministrant im Geheimversteck sein kann). Diakon, Kantor,
Küster, Ministranten, Organistin, Priester, Putzkraft - hier abecelich genannt
- sollen das tun, was sie tun müssen. Keinem ist geholfen, wenn zum Beispiel
der Priester Gitarre spielt und die Organistin schweigt.
Einfach und Kurz
„29. Nach der Begrüßung der Gemeinde kann der Priester oder
ein anderer die Gläubigen ganz kurz in die betreffende Messfeier einführen“
(Allg. Einführung In das Messbuch). Entscheiden ist „kurz“ und „kann“. Sowie
der Kellner zum Tisch kommt, den Teller an seinen Platz stellt und einfach „Kalbsbries
an Rhabarbercurry“ sagt, besteht bei der Vorbereitung des Mahles kein Grund zu
ausschweifenden Erklärungen.
Ruhe versus Gerede
Man könnte sagen, das ist doch eigentlich derselbe Punkt wie
der vorherige. Nun Gerede ist natürlich auch ein Gegenteil zu Kürze und Einfachheit;
aber vor allem ist Gerede das Gegenteil von Ruhe. Man stelle sich nur vor, der
Kellner, die Sommeliere stehen administrierend am Tisch und sie kommentieren
und weisen an: Jetzt nehmen wir das Messer und schneiden - dann führen wir die
Gabel zum Mund - nun schmecken wir
voller Freude Röstaromen. Flucht wäre das einzige, was bliebe. Aber erleben wir
das nicht andauernd in der Messe. Anweisungen - teils verbaliter („Wir bleiben
sitzen“!), teils mit herrischer Geste häufen sich und der Anweisung und
Erklärungen ist kein Ende. Dieses Jahr Fronleichnam erlebte ich sechs[2] Predigten,
wohlgemerkt vor beginn der Prozession.
an
Was spricht nun gegen die harmlose Präposition. Ihr Gebrauch
in falschen Zusammenhängen! Rebbe, wann kommt der Messias? Nu, wenn auf
deutschen Speisekarten das Wort „an“ verschwunden ist. Nein, ich möchte einerseits kein Wurstcarpaccio
indisch an frittierten
Kartoffelstäbchen. Aber ich möchte auch nicht aufgefordert werden, diesen
Gedanken oder dieses Gefühl an mich ´ranzulassen.
Liturgiereform
Ab und zu will man es halt neu machen, oder anders
formuliert: zu den Ursprüngen zurück. Die Gefahr ist, daß das Pendel in die
andere Richtung ausschlägt. Zum Nachdenken seien hier zwei kulinarische
Liturgiereformen des 20ten Jahrhunderts genannt. Als man um das Jahr 1970 feststellte,
daß die Traditionellen Gerichte, die stark an Arbeit in Fabriken und der
Landwirtschaft orientiert waren nicht nur zu schwer, sondern oft auch zu uniform
waren, kam es zur Bewegung der Nouvelle Cuisine. Leichtere Gerichte, regionale
Produkte waren z.B. die Folge, aber auch zum Teil absurd kleine Portionen. Alles
in allem durchaus ein Gewinn für den Gaumen. Ganz anders die absurden Exzesse
der Molekularküche. Durch extreme Veränderung der Haptik ist der Genuß extrem
weit von den Vollzügen eines traditionelles Mahles entfernt. Möge wir bei
Liturgiereformen und deren Vollzügen aus diesen Beispielen lernen.
Pommesbude und
Freikirche
Manchmal kann es kein großes Essen sein und es geht auch
eine Pommesbude. Man muß dabei sogar bedenken, daß das Ur-fastfood: Fish &
chips in Bezug auf die Versorgung mit Proteinen (Fisch) und Vitaminen
(Kartoffel) ja ein Fortschritt in der
Massenernährung war.
Manchmal kann es keine feierliche Liturgie sein und dann
schlägt die Stunde der Freikirchen. Man muß dabei sogar bedenken, daß das Urdokument
unseres Glaubens die Bibel, auch und gerade dort geschätzt wird.
Trotzdem ist der Imbiß auf Dauer kein Ersatz für gepflegtes
Essen.
Vielleicht ist aber heute - und ich ergänze ausdrücklich ein
„leider“ -, wenn keine Möglichkeit besteht eine würdige Liturgie zu erleben,
der Glaube in einem Bibelkreis besser zu leben.
[1] Alfred Walterspiel, Meine
Kunst in Küche und Restaurant - Erfahrungen eines internationalen Kochs,
München 1981 (posthum), S.26
[2] Vor dem Kreuzzeichen, nach dem Kreuzzeichen,
nach dem Evangelium (eigentlich verblüffend), zu den (statt der)Fürbitten, vor
dem Vaterunser, vor dem Friedensgruß
Labels: Liturgie, Liturgiereform, Rebbe - wann kommt der Messias?, Völlerei und verwandte Tugenden
0 Comments:
Kommentar veröffentlichen
<< Home